Wie werden wir morgen noch Inhalte finden?
Wie werden wir morgen nach Informationen suchen? Und mit welchen Ergebnissen werden wir uns zufriedengeben? Unser AustriaContent-Kollege Bernhard Fragner war in München beim 1E9-Festival und hat ein paar Antworten gesucht.
„Exactly-what-I-Want-Search“ nennt Livia Mitschke-Collande von Google den Effekt: „Die Menschen wollen schnelle Antworten. Und sie sind immer weniger bereit, bei den Suchergebnissen nach unten zu scrollen.“
Wenn sich eine Konferenz wie das 1E9-Festival in München dem Schwerpunkt Künstliche Intelligenz verschreibt, kommt sie um ein Thema nicht herum: die Fusion von AI-Chats und Suchmaschinen. Mitschke-Collande, Industry Leader Retail bei Google, erlebt täglich, was das bedeutet. Und es bedeutet oft und immer öfter: Zero Click Searches und dass mittelfristig Google vorgefertige und KI-generierte Antworten auf unsere Fragen präsentiert, statt uns durch Tausende Suchergebnisse surfen zu lassen.
Wie kontroversiell das Thema ist, verkörpern in München zwei Teilnehmer am Panel. Christian Kroll hat die Search Engine Ecosia gegründet, die auf Gewinn verzichtet und das Geld stattdessen in weltweite Baumpflanzungen steckt. Auch Ecosia bietet – zunächst in einer Beta-Version – solche KI-Antworten an.
Ole Reissmann, Leiter KI und Journalist in der Spiegel-Gruppe, hat es ausprobiert, indem er seinen eigenen Namen suchte. Der biografische Abriss, den die Suchmaschine lieferte, war mehr oder weniger korrekt – der Bitte um konkrete Quellenangaben entsprach die KI allerdings nicht.
Spucken Suchmaschinen künftig keine Quellen, sondern gleich Zusammenfassungen und Lösungen aus, ergeben sich zwei dramatische Fragen - auch und besonders für Marketing-Verantwortliche:
> Wie soll verhindert werden, dass die Künstliche Intelligenz Falschinformationen, Gerüchte oder bewusst verbreitete Fake News als Wahrheit verkauft? Die entsprechenden Blasen, die längst auch auf Social Media-Plattformen aufpoppen, können durch Quellen-Recherche über Suchmaschinen derzeit noch aufgestochen werden. Sind diese Quellen nicht mehr erkennbar, entfällt diese Möglichkeit. Was bedeutet das für Marken, wenn die Entkräftung von Gerüchten oder gar Fake News immer schwierger wird?
> Was passiert mit den Geschäftsmodellen der Content Creators, allen voran der klassischen Verlagshäuser? Noch gilt ein Gentlemen’s Agreement zwischen Suchmaschinen und Publishern, das beiden dient. Zeigt die Search Engine aber keine Quellen mehr an, die Traffic auf die dahinterstehenden Websites lenkt, verliert das ungeschriebene Gesetz seine Gültigkeit. Das wird letztlich auch die Beziehungen von Marken zu Medien verändern: Letztere werden für Erstere noch mehr an Relevanz verlieren.
Marcus Tandler, Co-Gründer des (vor wenigen Tagen verkauften) SEO-Startups Ryte, versuchte es mit einem Trostpflaster. Wirklich starke Brands – wie etwa auch der Spiegel – könnten immerhin hoffen, dass Verlässlichkeit und Qualität an Bedeutung gewinnen. Und genau das gilt, so meinen wir jedenfalls, nicht nur für starke Medien-Brands, sondern auch für starke Content-Brands.
Sofern man jetzt dafür sorgt, dass der eigene Content so einzigartig ist wie man es von der eigenen Marke auch erwarten würde.